Zentrale: +49 3735 9489055

Prokrastination am Arbeitsplatz: Ursachen, Folgen und Tipps zur Überwindung

Prokrastination – im Alltag gern ironisch als Aufschieberitis bezeichnet – betrifft mehr Menschen, als Statistiken vermuten lassen. Aufgaben werden vertagt, die To-do-Liste wächst, während das schlechte Gewissen am Schreibtisch sitzt. Aktuelle Studien der Universität Münster sprechen von bis zu 20 Prozent der Bevölkerung, die regelmäßig Wichtiges aufschieben, obwohl ausreichende Zeit vorhanden wäre. Doch was steckt wirklich hinter dem Phänomen, wann wird es zur Arbeitsstörung und welche Tipps helfen, die Spirale zu durchbrechen?

Was passiert im Gehirn, wenn wir prokrastinieren?

Das Aufschiebeverhalten ist keineswegs ein Zeichen von Faulheit. Neurowissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass das limbische System – verantwortlich für Belohnung – und der präfrontale Cortex – zuständig für Planung – in Konkurrenz stehen. Kurzfristige Tätigkeiten wie ans Fenster treten oder die Kaffeemaschine reinigen liefern sofortige Dopaminimpulse. Dagegen erscheinen langfristige Projekte ohne unmittelbaren Erfolg, etwa die Steuererklärung oder die Hausarbeit für das Studium, weniger attraktiv. Die Konsequenz: Das Gehirn wählt systematisch die leichtere Aufgabe und verschiebt alles andere Richtung „morgen“.

Typische Gründe für Aufschieberitis

  1. Perfektionismus – hohe Ansprüche blockieren den Start.
  2. Angst vor Bewertung oder Fehlern.
  3. Fehlende Struktur im Zeit- und Aufgabenmanagement.
  4. Überforderung durch zu große, undefinierte Projekte.
  5. Geringe Selbstwirksamkeit: das Gefühl, einer Aufgabe nicht gewachsen zu sein.

In Einzelfällen kann exzessives Aufschieben zum klinischen Problem werden. Die Prokrastinationsambulanz an der Universität Münster spricht beispielsweise bei starker Beeinträchtigung von einer eigenständigen psychologischen Störung – ähnlich einer Verhaltenssucht. Hier kann professionelle Beratung oder Verhaltenstherapie notwendig sein.

Folgen für Arbeit und Studium

Wer wiederholt Deadlines reißt, riskiert Druck vom Arbeitgeber oder Ausbildungsplatz. Chronische Prokrastination geht zudem mit einem erhöhten Stressniveau, Schlafproblemen und reduziertem Selbstwertgefühl einher. Betroffene berichten von Kreisläufen aus Schuldgefühlen und weiterem Aufschieben – das Problem verstärkt sich selbst. Im Extremfall drohen schlechte Leistungsbeurteilungen, Prüfungsversagen oder sogar Abmahnungen.

Im Berufsleben kann sich das Aufschiebeverhalten schnell negativ auf das Team auswirken. Projekte verzögern sich, Absprachen werden nicht eingehalten, Kolleginnen und Kollegen müssen einspringen. Das wiederum verschärft zwischenmenschliche Spannungen am Arbeitsplatz. Auch die Karriere leidet langfristig, wenn Termine regelmäßig nicht eingehalten oder Aufgaben nur unter massivem Zeitdruck erledigt werden.

An vielen Universitäten gibt es mittlerweile Anlaufstellen für beratungsbedürftige Studierende mit Prokrastinationsproblemen. Das zeigt: Es handelt sich um ein verbreitetes, aber behandelbares Muster. Wichtig ist, rechtzeitig gegenzusteuern – durch bessere Selbstorganisation, gezieltes Zeitmanagement oder professionelle Unterstützung.

Kann man etwas dagegen tun? Fünf Strategien gegen das Aufschieben

  • Aufgaben herunterbrechen: Große Projekte in klare To-dos mit kurzen Bearbeitungszeiten (15–25 Minuten) zerlegen.
  • Zeitfenster planen: Feste Blocks in der Arbeitszeit reservieren, Smartphone weit weglegen.
  • Erste-Minute-Regel: Bei innerem Widerstand einfach eine Minute mit der Tätigkeit starten – der Rest folgt oft automatisch.
  • Belohnungen koppeln: Nach abgeschlossenen Schritten kleine Pausen oder Kaffee gönnen, statt vorher.
  • Verbindlichkeit schaffen: Mit Kollegen oder Freunden Absprachen treffen, Abgabetermine kommunizieren.

Effektiv arbeiten kann man lernen: Nach den Erkenntnissen der Psychologin Margarita Engberding steigert insbesondere die Kombination aus klarer Priorisierung und sozialer Kontrolle die Wahrscheinlichkeit, Aufgaben fristgerecht zu erledigen.

Wann wird Prokrastination zur Krankheit?

Gelegentliches Vertagen ist normal, dauerhaftes Aufschiebeverhalten kann jedoch eine behandlungs­bedürftige Störung sein. Warnzeichen sind:

  • Regelmäßige Überschreitung jedes Abgabetermins.
  • Körperliche Symptome wie Schlaflosigkeit oder Kopf­schmerzen.
  • Häufige Konflikte mit Vorgesetzten, Lehrern oder im Privatleben.
  • Gefühl, das Aufschieben „nicht mehr im Griff“ zu haben.

Die Diagnose erfolgt durch qualifizierte Fachkräfte; in einigen Fällen verordnet man kognitive Verhaltenstherapie oder gruppen­basierte Trainingsprogramme. Initiativen wie die Prokrastination­sambulanz bieten strukturierte Hilfe für Studierende und Berufstätige.

Beispiele aus dem Arbeitsalltag

  • Ein Logistikmitarbeiter verschiebt die Maschinen­wartung, bis der Stapler ausfällt – hoher Kostenblock.
  • Eine Sachbearbeiterin hält Berichte zurück, bis der Zeitdruck eskaliert.
  • Ein Freiberufler priorisiert E-Mails und Social Media, statt Rechnungen zu schreiben – Liquiditätsengpass.

Solche Szenarien verdeutlichen: Prokrastination betrifft jede Branche und jeden Job. Selbst routinierte Lehrer oder Führungskräfte können in Stressphasen in alte Muster zurückfallen.

Rolle von digitale Tools

Moderne Aufgabenplaner reduzieren mentale Barrieren. Apps, die an To-dos erinnern, Prioritäten visualisieren und Fortschritte tracken, helfen, den Überblick zu bewahren. Eine digitale To-do-Liste ersetzt jedoch nicht das persönliche Commitment. Wichtig bleibt, realistische Timeslots einzuplanen und Ablenkungen auszuschalten.

Fazit – von der Aufschieberitis zur produktiven Routine

Aufschieben ist ein weit verbreitetes Verhalten, doch kein unabwendbares Problem. Wer Ursachen erkennt, Ziele in realistische Schritte zerlegt und klare Tipps anwendet, kann die Abwärtsspirale stoppen. Entscheidend sind ein strukturierter Plan, definierte Pausen und der Mut, Verantwortung für den eigenen Zeitplan zu übernehmen.

Besonders im Arbeitsalltag zeigt sich, wie schnell sich aufgeschobene Aufgaben häufen – vom nicht bearbeiteten Kundenanliegen bis hin zur verspäteten Berichtserstellung. Das kann nicht nur zu Zeitdruck, sondern auch zu Konflikten im Team führen. Wer jedoch systematisch Prioritäten setzt, schafft langfristig mehr Klarheit, senkt Stress und verbessert die eigene Leistungsfähigkeit im Job deutlich.

Kommentar hinterlassen