Nach langer Krankheit wieder arbeiten ohne Wiedereingliederung
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Nach langer Krankheit wieder arbeiten ohne Wiedereingliederung

Nach langer Krankheit wieder arbeiten ohne Wiedereingliederung

Wer nach einem Unfall oder langer Krankheit wieder ins Berufsleben zurückkehren möchte, kann durch verschiedene Maßnahmen unterstützt werden. Dabei spielen das betriebliche Eingliederungsmanagement und die stufenweise Wiedereingliederung eine Rolle. In diesem Beitrag geht es außerdem um die Rechte und Pflichten der Betroffenen.

Wiedereingliederung – sinnvoll oder nicht?

Für viele Menschen ist es schwer, nach einer langen Ausfallzeit durch Krankheit oder Unfall wieder ins Berufsleben einzusteigen. Neben den physischen Belastungen kommen psychische hinzu. Es ist deswegen empfehlenswert, zunächst mit der zuständigen Ärztin oder dem Arzt darüber zu sprechen. Diese können bei allen den Arbeitsalltag betreffenden Fragen eine kompetente Unterstützung leisten.

Für den Wiedereinstieg ins Berufsleben sollte man sich grundsätzlich die nötige Zeit nehmen. So verringert sich das Risiko, dass es kurz nach Arbeitsbeginn erneut zu Ausfällen kommt. Unsicherheiten und Zweifel sind in dieser Zeit normal, sollten aber nicht den Alltag dominieren. Um festzustellen, ob ein Wiedereinstieg ins Berufsleben zum gewählten Zeitpunkt funktionieren kann, empfiehlt es sich, eine Liste mit Vor- und Nachteilen anzulegen.

Eine Wiedereingliederung ist in den meisten Fällen sinnvoll, da sie Betroffene langsam und behutsam wieder an die Tätigkeit und den Arbeitsplatz heranführt. Demzufolge müssen sich diese nicht so unter Druck setzen und haben Zeit, auf die Signale ihres Körpers zu achten.

Voraussetzungen für den Beginn

Um eine stufenweise Wiedereingliederung in den Beruf vollziehen zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden:

  • Einverständnis von Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die medizinische Rehabilitation betreffend
  • Bescheinigung der teilweisen Arbeitsmöglichkeit durch den behandelnden Arzt/ die behandelnde Ärztin
  • Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers vor und während der Maßnahme
  • Einsatz des Arbeitnehmers beim bisherigen Arbeitgeber
  • Arbeit, für die Arbeitsunfähigkeit besteht, ist versicherungspflichtig
  • schriftliche Zustimmung der Eingliederung durch den Beschäftigten

Die Wiedereingliederung kann jederzeit wieder abgebrochen werden.

Hamburger Modell

Die stufenweise Wiedereingliederung wird umgangssprachlich als „Hamburger Modell“ bezeichnet. Geregelt ist sie in § 74 SGB V und § 44 SGB IX. Grundsätzlich steht das Wiedereingliederungsprogramm ausschließlich Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung zu. Welcher Berufsgruppe man angehört, ist dabei egal.

Die Vorteile des Modells bestehen darin, dass die Arbeitsunfähigkeit der Betroffenen verkürzt und gleichzeitig in Schritten die volle Arbeitsleistung wiederhergestellt werden kann. Arbeitgeber profitieren davon, da sie kein Geld in neues Personal und die Einarbeitung investieren müssen. Für den Arbeitnehmer kann so hingegen die drohende Arbeitslosigkeit verhindert werden.

krankheit

Während der stufenweisen Wiedereingliederung bezieht ein Arbeitnehmer weiterhin Krankengeld oder Übergangsgeld. In dieser Zeit entstehen dem Arbeitgeber also keine zusätzlichen Personalkosten.

Im Stufenplan sind folgende Dinge geregelt:

  • Beginn und Ende der Wiedereingliederung
  • Wochenstunden jeder Stufe
  • zumutbare Aufgabenfelder in jeder Stufe
  • Art und Dauer der jeweiligen Stufen
  • voraussichtlicher Zeitpunkt der Wiederherstellung der vollen Arbeitsfähigkeit
  • Rücktrittsrechte und -gründe, welche die Wiedereingliederung betreffen
  • Tätigkeiten und Belastungen, die nicht zugemutet werden können

Während der Arbeitnehmer zu Beginn der Wiedereingliederung nur wenige Arbeitsstunden zu leisten hat, werden diese so lange gesteigert, bis sie am Ende der Maßnahme wieder dem im Arbeitsvertrag geregelten Umfang entsprechen.

Betriebliches Eingliederungsmanagement

Arbeitgeber haben die Möglichkeit, ihre Mitarbeiter durch ein betriebliches Eingliederungsmanagement zu unterstützen. Dazu muss eine Zustimmung des Arbeitnehmers erfolgen. Danach führen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein gemeinsames Gespräch, in dem es um Lösungen für die Wiedereingliederung geht.

Ob weitere Personen oder Stellen hinzugezogen werden, ist abhängig von Art und Größe des Betriebs, der Problemstellung und dem Wunsch des Beschäftigten. Zusätzlich anwesend sein können beispielsweise der Personal- oder Betriebsrat, die Schwerbehindertenvertretung, das Integrationsamt und der Betriebs- oder Personalarzt.

Beschäftigten, die mehr als 6 Wochen krankgeschrieben waren, muss ein betriebliches Eingliederungsmanagement durch den Arbeitgeber angeboten werden. Dies ist in § 167 Abs. 2SGB IX geregelt. Für diese 6 Wochen erfolgt eine Zusammenfassung aller Zeiten, in denen der oder die Beschäftigte in den vergangenen 12 Monaten über folgende Kriterien verfügte:

  • gemeldete Arbeitsunfähigkeit
  • Krankmeldung ohne AU-Bescheinigung
  • Ausfall aufgrund von Kuren und Reha-Leistungen

Teil eines BEM kann die stufenweise Wiedereingliederung sein.

Wichtige Vorteile

Für Arbeitgeber hat ein erfolgreich durchgeführtes BEM ebenfalls entscheidende Vorteile. So ist es zum Beispiel wahrscheinlich, dass erneute Fehlzeiten des Betroffenen verringert werden. Außerdem können Mitarbeiter im Rahmen des BEM auf gesundheitsschädigende Faktoren im Unternehmen aufmerksam werden und diese beseitigen, sodass sie für andere Arbeitnehmer keine Gefahr mehr darstellen.

Besonders dann, wenn auch ältere Mitarbeiter im Unternehmen arbeiten, haben Arbeitgeber die Möglichkeit, im Rahmen des BEM mögliche Rehabilitationsmaßnahmen frühzeitig zu erkennen sowie entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Nicht zuletzt hat eine Führungsperson, die sich für gesundheitliche Nachhaltigkeit einsetzt, eine positive Auswirkung auf das Image der Firma und ist meist auch bei den Angestellten höher angesehen.

Gehalt

In der Zeit der stufenweisen Eingliederung erhalten Arbeitnehmer weiterhin ihr Krankengeld, beziehungsweise ein Übergangsgeld. Während die gesetzliche Krankenkasse das Krankengeld weiterhin in voller Höhe bezahlt, erhalten Privatversicherte vom Zeitpunkt des Wiedereinstiegs an nichts mehr. Anders ist es beim betrieblichen Wiedereingliederungsmanagement, denn dafür bezahlen auch die privaten Krankenkassen.

Das sogenannte Übergangsgeld kann zusätzlich bei der gesetzlichen Rentenversicherung beantragt werden. Um dieses zu erhalten, müssen wiederum bestimmte Bedingungen erfüllt sein:

  • Beginn der Wiedereingliederung: innerhalb von 4 Wochen nach Ende der Leistungen, die medizinische Rehabilitation betreffend
  • Einleitung der Notwendigkeit der Wiedereingliederung: bis zum Ende der Rehabilitationsmaßnahme

Arbeitsdauer und -pensum

Der Stufenplan muss so erstellt werden, dass er von der bisherigen Tätigkeit und dem Arbeitszeitmodell eines Beschäftigten ausgeht. Demzufolge bestehen zwischen Voll- und Teilzeitbeschäftigten Unterschiede:

  1. Vollzeitbeschäftigung: Arbeitsbelastung von mindestens 2 Stunden pro Arbeitstag und schrittweises Erhöhen bis auf 6 Stunden. Die Leistung soll grundsätzlich an 5 Tagen in der Woche erfolgen.
  2. Teilzeitbeschäftigung: volle Belastbarkeit ist dann erfüllt, wenn der Arbeitnehmer die Teilzeittätigkeit wieder in vollem Maß ausüben kann

Anspruch auf Position

Grundsätzlich ist es möglich, dass ein Arbeitgeber im Zuge der Wiedereingliederung dem Beschäftigten einen neuen Arbeitsbereich zuweist. Dabei besteht für Arbeitnehmer kein Anspruch auf die gleiche Position. Allerdings ist es eher unwahrscheinlich, dass ein Arbeitgeber seinen Mitarbeiter bei der Wiedereingliederung einem Bereich zuteilt, der diesem nicht liegt. Arbeitgeber sind schließlich grundsätzlich daran interessiert, dass alle Arbeitnehmer ihrer Tätigkeit verlässlich nachgehen können.

Ein Beispiel: Arbeitet man als Maschinenbediener im produzierenden Gewerbe, verfügt man meist über eine bestimmte Spezialisierung und beherrscht demzufolge eine Maschine besonders gut. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass ein Betroffener auch nach der langen Ausfallzeit wieder für diese verantwortlich sein wird.

Sind der alte Arbeitsplatz oder ein vergleichbarer Ersatz nicht sofort verfügbar, muss gemeinsam besprochen werden, in welchem Arbeitsbereich der Betroffene bestmöglich während der Wiedereingliederung eingesetzt werden kann. Dabei werden den Arbeitnehmern mitunter Hilfsmittel zur Verfügung gestellt, die ihnen die Arbeit erleichtern sollen.

Besteht der Fall, dass der Arbeitsplatz während der Krankheit wegfällt, kann prinzipiell sogar eine betriebsbedingte Kündigung erfolgen. Diese ist jedoch nur dann wirksam, wenn ein Arbeitsplatz tatsächlich nicht mehr existiert. Können Arbeitnehmer jedoch auch anderweitig weiterbeschäftigt beziehungsweise an einen anderen Ort versetzt werden, gilt eine solche Kündigung nicht.

Möglichkeiten für Selbstständige

Selbstständigen steht es frei, beruflich orientierte Reha-Maßnahmen der Rentenversicherung zu nutzen. Möglich ist das jedoch nur dann, wenn Betroffene eine Beitragszahlung an die Versicherung geleistet haben, andernfalls bestehen keine Ansprüche. Allerdings lassen sich im Falle der Selbstständigkeit medizinisch erforderliche Rehabilitationsmaßnahmen durch die gesetzliche Krankenkasse finanzieren. Neben direkten Leistungen bietet sie die Vermittlung zu Leistungen Dritter an.

So profitieren Betroffene beispielsweise von der Hilfe bei der Suche nach einem passenden Facharzt. Weiterhin können sie folgende Angebote nutzen:

  • Begleitung von Patienten durch stationäre Behandlungen
  • Aufklärung von Patienten über die Möglichkeiten nach einer Reha
  • stufenweise Wiedereingliederung

Auf diese Art und Weise haben auch Selbstständige die Möglichkeit, wieder vollkommen im Berufsleben zurechtzukommen. Hier geht es zum Thema Unbedenklichkeitsbescheinigung der Krankenkasse.

Ohne BEM keine gesunde Rückkehr

Dass man nach langer Krankheit oder einem Unfall Schwierigkeiten hat, sich wieder in den Berufsalltag zu integrieren, ist vollkommen normal. Diese Zeit kann mit Ängsten und Sorgen verbunden sein und der Frage, wie die Zukunft aussehen wird. Klar machen sollte man sich, dass man damit nicht allein gelassen wird, denn sowohl Angestellten als auch Selbstständigen stehen viele Möglichkeiten zur Wiedereingliederung offen.

Mithilfe der stufenweisen Wiedereingliederung, auch „Hamburger Modell“ genannt, lässt sich der Arbeitsalltag langsam wieder herstellen. Anstatt nach langem Ausfall sofort wieder in vollem Umfang der alten Beschäftigung nachzugehen, wird man Stufe um Stufe zurück ins Arbeitsleben geführt. Dieses System hat für beide Seiten – Arbeitnehmer und Arbeitgeber – erhebliche Vorteile. Die Ausfallzeit der Betroffenen wird verkürzt, was Arbeitslosigkeit vorbeugt. Zudem müssen Arbeitgeber keine Ressourcen dafür aufbringen, um neue Mitarbeiter anzulernen.

Ohne eine Wiedereingliederung nach Krankheit oder einem Unfall besteht das Risiko, dass Betroffene eine sehr lange Zeit ausfallen und sich schließlich dem Arbeitsalltag nicht mehr gewachsen sehen. Das kann sowohl erneute physische und psychische Probleme zur Folge haben.

Die Wiedereingliederung ist dementsprechend eine sinnvolle Maßnahme, um Betroffenen den Wiedereinstieg ins Berufsleben zu ermöglichen. Da sie zudem von Kranken- bzw. einem Übergangsgeld profitieren, haben Arbeitgeber in dieser Zeit keine finanziellen Belastungen zu tragen.

 

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